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Stolpersteine - Verlegung in Leer

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Virtueller Rundgang durch die Sonderausstellung „Ich packe meine Koffer...“ 


Die Ausstellung setzt sich auf künstlerischer Ebene mit den Lebenserinnerungen „Reise mit zwei Koffern“ von Auguste (Gustel) Moses-Nussbaum auseinander, die in Ostfriesland als jüdisches Mädchen aufgewachsen ist und von den Eltern getrennt in den Niederlanden versteckt wurde. Nach ihrer eigenen Flucht und späteren Migration ins damalige Palästina war es ihr als Cousine von Felix Nussbaum ein persönliches Anliegen, seine Werke nach Kriegsende aufzuspüren, sie zusammenzutragen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Heute finden sie ihren Platz im Felix-Nussbaum-Haus.

Auguste (Gustel) Moses-Nussbaum migrierte durch Zwang - und jede Station ist mit Erfahrungen, Eindrücken, Objekten und Bildern belegt. Durch die gemeinsame Arbeit der Theaterregisseurin und Künstlerin Katharina Birch von der Kulturwerkstatt Leer, des Künstlers und Fotografen Benyamin Reich und des Sounddesigners Shorty Gerriets können Besucherinnen und Besucher in der Ausstellung auf die „Reise“ von Gustel gehen. Durch (Sound-) Installationen und Porträts von Menschen, die ihr Geburtsland verlassen mussten, werden die Fragen gestellt: Was haben Gustels Erfahrungen mit uns heute zu tun? Was bedeutet Identität für Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen?

Das Ausstellungsprojekt wird durch #2021JLID - Jüdisches Leben in Deutschland e. V. aus Mitteln das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat gefördert.

Einführung in die Ausstellung (von Katharina Birch)

Auguste Moses-Nussbaums Lebenserinnerungen REISE MIT ZWEI KOFFERN liest sich fast wie ein Filmskript: So genau, so klar und detailreich ist alles beschrieben.
Ihre Kindheit in Emden, ihre Flucht in die Niederlande und ihre Migration ins damalige Palästina.

Während unserer Recherche drehten sich unsere Gedanken immer wieder um den Titel des Buches: REISE MIT ZWEI KOFFERN.

Welche Gegenstände passten dort hinein?
Welche galt es, zu retten?
Welche Dinge benötigte sie zum Überleben?
Welche Dinge erzählen etwas über ihre Identität?
Gegenstände -
und Ideelle Werte.
Denn alles wird zu Erinnerungsträgern.

Was kommt mit? Was bleibt zurück?

Ein zentraler Aspekt in der Auseinandersetzung mit Auguste Moses-Nussbaums Leben ist für uns die Frage nach den Begriffen Heimat und Identität geworden.

Was bedeutet Heimat für Menschen, die verfolgt werden?
Wissen die, die frei entscheiden können, wie und wo sie leben wollen überhaupt Heimat zu schätzen?
Wodurch wird unsere Identität überhaupt geprägt?
Und entscheiden wir selbst, wer wir sind oder wird Identität maßgeblich von außen vorgegeben?
Die bewusste Auseinandersetzung mit der eigenen Identität findet bei den meisten Menschen zum ersten Mal statt, wenn sie das Vertraute zurück lassen. Wenn sie sich in einem anderen Umfeld wiederfinden.
Die eigene Identität ist stets vom kulturellen Kontext abhängig, in dem man sich gerade bewegt.

Zu den Räumen

Die abgelichteten Menschen übernehmen sonst in Benyamin Reichs Fotografien oft Rollen, die sie im wahren Leben nicht darstellen. Meist spielt er dabei mit Tradition, Ritualen und vermeintlichen Tabus.
Dieses Mal jedoch spielt niemand eine Rolle! Im Gegenteil: Er hält die Suche nach der eigenen Rolle im Leben, nach der eigenen Identität in seinen Bildern fest.
Alle portraitierten Menschen stellen sich selbst dar.
Alle Menschen in diesen Bildern verbindet der Umstand, nicht mehr im eigenen Heimatland zu leben.
Alle Menschen, denen sie oben begegnen werden, haben ihr Geburtsland verlassen – aus den verschiedensten Gründen.
Einige von ihnen leben in Berlin. Viele dieser Menschen leben jetzt hier vor Ort.
Wir baten sie, ein Objekt zum Fotoshooting mitzubringen, das sie mit ihrem Geburtsland verbinden oder das eine für sie identitätsprägende Geschichte in sich trägt.
Etwas, aus ihrem eigenen höchst persönlichen Koffer.

Nichts ist so universell und vor allem so unmittelbar wie Musik und Klang.
Der Sounddesigner Shorty Gerriets schafft musikalische Räume und Klangwelten, die uns noch intensiver in Gustels Welt eintauchen lassen. An verschiedenen Orten der Ausstellung werden Ihnen also verschiedene Stimmen begegnen. Auch Gustels Stimme!

Sie werden außerdem eine Installation sehen, die vornehmlich aus gold-silbernen Notfalldecken, sogenannten Emergency blankets besteht. Diese Folien sind leider oft fester Bestandteil von Schreckensszenen. Überall da, wo Menschen in Not geraten, temporär versorgt oder gerettet wurden, wo Menschen Schock und körperliche Bedrohung erlebt haben, dort kommen diese Emergency blankets zum Einsatz. Und meist bleiben sie im Anschluss als stumme Zeugen zurück. Sie symbolisieren Not, Trauer, Angst und Verzweiflung. Verheddert im Grenzzaun, treibend im Meer oder verwaist auf verlassen Landstrichen. Meist haben diese Menschen - für eine bessere Zukunft - alles auf Spiel gesetzt – und dabei alles verloren.

Es gibt einen sehr dunklen Ort in der Ausstellung, der vermutlich stark auf einzelne Besucherinnen und Besucher wirken kann. Gustels Mutter Marianne schrieb regelmäßig Gedichte und Theaterstücke, die dann im Kreise der Familie oder in der Schule aufgeführt und vorgetragen wurden. Immer wieder bezieht sich Gustel auf diese Gedichte und die Briefe der Mutter - bzw die Briefe der Eltern.
In Gustels letztem Versteck vor den Nazis – 1945 in Roermond in Holland – tat sie nun das, was sie von zu Hause kannte. Sie schrieb. Sie schrieb, während sie tagelang unter der kalten Erde, in einem Erdloch ausharrte und um ihr Leben fürchtete. Zusammen mit Lucie Thomassen verfassten sie dort – im Untergrund - das niederländische Gedicht
„Fünf Menschen.“

Wir möchten Gustels Schritten (teilweise in unmittelbarer Nähe) nachspüren.
Gustel und ihre Familie waren Ostfriesland sehr verbunden. Regelmäßig fuhr ihre Familie in die jüdische Gemeinde nach Weener oder zu Bekannten nach Oldersum. In einem Interview von 2018 beschreibt sie es so:
„Eine Ostfriesin bin ich. Auch wenn sie mich nicht mehr haben wollten. Das geht nicht weg.“
Der wohl einprägsamste und emotionalste Moment unserer „Reise“ war es, gemeinsam mit Gustel – per Videokonferenz nach Israel – durch das Felix Nussbaum Haus zu gehen.
Da standen wir nun – quasi in ihrem Lebenswerk. Umgeben von Bildern als Zeitzeugen, ganz nah am Pinselduktus ihres ermordeten Cousins Felix Nussbaum, umschlossen von kahlen Libeskind-Wänden und Schächten.

Wir möchten Euch/ Sie einladen:

Zum Zuhören, zum Hingucken, zum In-sich-Reinhorchen, zum stillen Gespräch mit sich selbst und wir möchten Euch/ Sie einladen, mit anderen Menschen ins Gespräch zu kommen! Es gibt viele Geschichten, die gehört werden möchten und die gehört werden sollten.
Die Frage nach Identität und Zugehörigkeit ist aktuell wie eh und je. Für jede und jeden ganz persönlich – und als Gesellschaft, als Menschheit.